Seit 30 Jahren blickt die Mode- und Kunstwelt im Frühjahr gespannt auf eine kleine Hafenstadt im Süden Frankreichs. Dann nämlich findet dort, in Hyères, das Festival International de Mode et de Photographie statt, bei dem sich Designer und Fotografen mit den Besten ihrer kreativen Zünfte messen. Und zwar unter den kritischen Augen einer wahrlich hochkarätigen Jury, der in diesem Jahr unter anderen Caroline von Monaco, Model und Muse Caroline de Maigret, Ex-„Vogue“-Chefin Carine Roitfeld und Designer Anthony Vaccarello (Hyères-Preisträger 2006) angehörten. Gegründet wurde das Kreativ-Festival in Hyères übrigens 1985 von dem amtierenden Festival-Direktor und künstlerischen Leiter der Villa Noailles, Jean-Pierre Blanc.
In einer flankierenden Ausstellung unter dem Titel „The Formers“ gab es ein Wiedersehen mit zwölf ehemaligen Teilnehmern, deren Kollektionen in den letzten drei Jahren auf der Mercedes-Benz Fashion Week Berlin zu sehen waren, darunter Steven Tai, Satu Maaranen und Roshi Porkar. Auch diesmal laden Mercedes-Benz und das Magazin „Elle“ einen der Kandidaten des Hyères-Festivals ein, in Berlin eine Kollektion zu präsentieren.
Für Mode made in Germany war das Festival unterdessen gleich ein doppelter Erfolg, denn mit den Designerinnen Annelie Schubert (Grand Prix of the Jury Première Vision) und Anna Bornhold (Chloé Prize) gingen beide Fashion-Trophäen nach Allemagne.
Schubert, die an der Kunsthochschule Weißensee in Berlin studiert hat, überzeugte mit einem gewagten Materialmix aus Tweed und Neopren sowie mit skulpturalen Silhouetten und den stark betonten Rückenpartien ihrer Entwürfe. Als Vorbild dienten ihr klassische Schürzenformen, die sie mit reichlich Eleganz interpretierte. Ihre nächste Kollektion darf sie nun beim Hyères-Festival 2016 zeigen.
Die Bremerin Anna Bornhold begeisterte die Jury von Chloé durch einen mutigen Einsatz von – im Wortsinn – vielschichtigen Stoffen, deren Herstellungsprozess dem Quilten ähnelt, sowie aufwendigen Stickereien. Ihr Stil bleibt dennoch eher lässig-modern denn üppig-romantisch, prägnant zu beobachten bei einem Jumpsuit, den die Juroren mit Extra-Applaus belohnten.
Beiden Designerinnen ist zu wünschen, dass sie ihrem Stil treu bleiben, ihr Handwerk weiter vervollkommnen und ähnlich große Erfolge feiern wie die früheren Preisträger Viktor & Rolf oder Gaspard Yurkievich.
Fotos: Charles et Marie-Laure de Noailles „Une Vie de Mécènes“; Grégoire Alexandre