Mason Wells ist Grafiker und Mitinhaber der innovativen Designagentur Bibliothèque in London, die seit vielen Jahren auch mit und für Allude kreative Projekte austüftelt. Zu den Spezialitäten des Teams um den erfahrenen Visual Thinker, Markenstrategen und Dozenten gehören Konzepte, die auf fantasievolle Weise Aufmerksamkeit erregen und doch dem berühmten britischen Understatement treu bleiben. So wie die neue Cashmere Clinic von Allude, die in Zusammenarbeit mit Bibliothèque Design verwirklicht wurde.
Weitere Kunden der Agentur, deren Büro im angesagten Stadtteil Shoreditch liegt, waren u. a. Adidas, die Architectural Digest Awards, Nike und Virgin Atlantic Airways. Kürzlich erschien zudem die erste Ausgabe des von Mason Wells und seinen Partnern Timothy Beard und Jonathon Jeffrey entwickelten Uhrenmagazins „The Hour“.
Im Interview plaudert der Grafikdesigner über lange Nächte am Schreibtisch, guten Kaffee und den Einfluss von Design-Altmeister Dieter Rams.
Was sind Ihre Aufgaben bei Bibliothèque Design?
Gemeinsam mit meinen Partnern Timothy Beard und Jonathon Jeffrey habe ich unser Studio vor rund zehn Jahren gegründet. Ich bin Designer und Art Director in unserem zehnköpfigen Team, das wie eine Familie eng zusammenhält.
Ein offenes, angenehmes Arbeitsumfeld zu bieten, ist uns mindestens ebenso wichtig, wie in unserer Designsprache gewissen Grundprinzipien zu folgen. Dabei bringt jeder Kollege seine ganz individuellen Talente ein, sodass es selten langweilig wird.
Einige Beispiele für die große Bandbreite, die unsere Projekte für Kunden abdecken: Wir haben gerade eine Schaufensterdeko für Black Eyewear bei Selfridges gemacht, arbeiten am Markengesicht eines neuartigen Fitnessstudios, gestalten die Website eines Architekten und stellen auf der Uhrenmesse Baselworld 2015 das Magazin „The Hour“ vor. Ach ja, und für einen Herrenschneider von der Savile Row sind wir auch gerade tätig.
Wie sieht ein Durchschnittstag in Ihrem Leben aus?
Ich pendle morgens von Blackheath zur Arbeit, das ist eine Gegend in Süd-London in der Nähe von Greenwich. Wenn ich um 9 Uhr in unserem Studio in Shoreditch ankomme, halte ich definitiv einen dampfenden Becher Kaffee in der Hand, den ich unterwegs in einem der wundervollen Cafés um die Ecke gekauft habe. Dann sitzen wir erst einmal alle um unseren riesigen Konferenztisch herum und besprechen aktuelle Projekte und neue Ideen, die wir weiterverfolgen wollen. Wir sind mächtig stolz auf unser Designteam, und unsere Kreativ-Hierarchie ist extrem flach angelegt. Keinem „gehört“ etwas, also ist gleichberechtigtes Diskutieren im Team ein Kerngedanke unserer Firmenphilosophie.
Zum Lunch gehen wir oft gemeinsam. Das ist nicht verpflichtend, aber irgendwie isst man lieber in Gesellschaft, oder? Bei den vielen fantastischen Delis und Bistros in Shoreditch fällt allerdings die Auswahl schwer. Beim Essen tauschen wir uns über News-Schlagzeilen aus, über unsere Familien, Konzerte oder was auch jeder sonst gerade im Kopf hat.
Der Nachmittag ist wieder den jeweiligen Designaufgaben gewidmet, immer wieder angetrieben von Kaffee. Und wenn wir terminlich gut dastehen, versuchen wir gegen 18 Uhr in den Feierabend zu gehen. Manche Projekte, wie unser neues Uhrenmagazin, sind allerdings so aufwendig und komplex, dass wir eine Menge Nachtschichten einlegen müssen.
Erzählen Sie uns etwas über Ihre vielfältige Arbeit für Allude und die Prinzipien, auf denen sie beruht.
Wir sind enorm stolz auf die Zusammenarbeit mit Allude, die nun auch schon sechs Jahre andauert. Wir teilen das Ziel einer langlebigen, eleganten Marke, zu deren Kern zudem eine bewusste Einfachheit gehört. Als wir damals das neue Logo entwickelten, haben wir uns mehrmals in unserem Londoner Studio mit Andrea Karg und ihrem Team getroffen.
Die Marke hat eine so erfolgreiche Geschichte, die auf geradlinigen Prinzipien beruht, dass wir uns alle bewusst für eine Typographie entschieden haben, die zu ihrer visuellen Handschrift passt. Und für ein Design mit „Gegründet 1993“-Hinweis, das die vielen erreichten Meilensteine hervorhebt.
Das Logo der neuen Cashmere Clinic wiederum kombiniert die traditionelle Optik eines Apothekenschildes mit einem abstrakten Webmuster. Die Botschaft ist präzise und elegant zugleich: „Sie können uns ihre geliebte Cashmere-Mode anvertrauen“. Das Projekt hat uns übrigens sehr viel Spaß gemacht, und ich freue mich darauf, die Clinic bald in München zu besuchen.
Und schließlich muss ich unbedingt noch über die spektakuläre Hightech-Installation im Kronprinzenpalais sprechen, die im Rahmen des Berliner Mode Salons zu sehen war. Sie zeigte auf 24 hintereinander geschalteten HD-Bildschirmen die Allude Pre-Fall Collection 2015, aus jeder Raumecke liefen Models auf die Besucher zu, konnte das einzigartige Material Cashmere in hochauflösenden Close-ups bewundert werden.
Ist es einfacher oder schwerer mit einer Gründerin wie Andrea Karg zu arbeiten, die zugleich Creative Director ist und auch sehr stark visuell denkt?
Definitiv einfacher. Sie teilt unsere Liebe für gutes Design, das dauerhaft überzeugt, und höchste Qualität. Somit teilen wir eines unserer wichtigsten Ziele. Die große Herausforderung bei der Arbeit mit einer Modemarke ist für uns eher, etwa für die Gestaltung des Lookbooks, in jeder Kollektion besondere Farben, Muster oder Materialdetails zu entdecken, die zum Leitmotiv taugen. Glücklicherweise bietet jede von Andrea Kargs Kollektionen solche optischen Überraschungen en masse, die wir für unsere Zwecke nutzen können.
Was sind die in Ihren Augen gerade angesagten Designtrends, von wem holen Sie sich Anregungen?
Wir bemühen uns sehr, Design nicht als Stil zu betrachten, wenngleich Logos, Dinge und Konzepte natürlich zeitgemäß aussehen sollten. Eine Institution, die wir sehr bewundern, ist die Designschule ECAL in der Schweiz, die gerade erstaunlich unorthodoxe Ansätze für das 2D- und 3D-Design entwickelt. Wir sind mit einigen der Professoren dort gut befreundet und veranstalten manchmal gemeinsame Workshops.
Wann und wie haben Sie gemerkt, dass Sie Designer werden wollten? Gab es einen Aha-Moment?
Als Kind war ich weder besonders gut in der Schule noch beim Sport – aber im Kunstunterricht bekam ich immer Bestnoten. Diese Stunden waren für mich und andere kreative Außenseiter wie ein Zufluchtsort. Unser Lehrer war ungemein inspirierend und er war es auch, der mich dazu drängte, auf die Kunsthochschule zu gehen. Das Grundstudium, bei dem ich auch Bibliothèque-Mitbegründer Jonathon Jeffrey kennenlernte, absolvierte ich an einer eher durchschnittlichen Institution. Erst mein Hauptstudium an der weltweit renommierten und sehr herausfordernden St. Martin’s School of Art (so der damalige Name) gab mir nach Abschluss die Möglichkeit, in bekannten Londoner Designstudios zu arbeiten, ehe wir Bibliothèque gründeten.
Die wichtigsten Einflüsse für meine Arbeit stammen aus Europa zur Mitte des 20. Jahrhunderts, vor allem aus Deutschland und der Schweiz in den Sechzigern. Jemand wie Dieter Rams, dessen Werk für Braun und andere legendär ist, war seiner Zeit so sehr voraus, dass selbst Jonathan Ive bei Apple von ihm inspiriert ist. Wir hatten das große Glück, den Altmeister bei der Eröffnung einer von uns mitgestalteten Retrospektive im Design Museum London treffen zu können.
Der coolste Song auf Ihrem iPod?
Mir gefällt Musik aus zig verschiedenen Genres, aber jetzt gerade höre ich dem Electro-Künstler Caribou aus Kanada sehr gern zu. Ein Büro-Favorit des Teams und wie auch von mir ist der britische DJ Gilles Peterson, er scheint einfach unterschiedlichste Geschmäcker gleichzeitig abzudecken.
Ihr erstes Kleidungsstück aus Cashmere war …?
Ein Rundhalspullover von John Smedley.
Was ist ihr aktuelles Must-have im Kleiderschrank?
Einen Strickpullover in Marineblau aus der bald erhältlichen Herren-Kollektion von Allude (ein erstes Beispiel unten, fotografiert am Model). Ich durfte schon mal vorab anprobieren … Ganz moderne Schnitte haben Andrea Karg und ihr Team da für uns Männer entworfen, yeah!
Haben Sie ein persönliches Stilvorbild?
Steve McQueen. Die Outfits, die Uhren, die Haare, die Brillen, die Schuhe, die Autos … Muss ich noch mehr sagen?!
Welches Talent würden Sie gern besitzen?
Ich liebe Architektur und Männermode gleichermaßen.
Ihr absolutes Lieblingsbuch?
„1984“ von George Orwell.
Welcher Film und/oder welche TV-Serie bietet Ihnen perfekte Unterhaltung?
Filme: „2001: A Space Odyssey“, „The Shining“ oder irgendein anderes Werk von Stanley Kubrick. In seinem Fall ist das Wort Genie definitiv angebracht, finde ich! Meine Lieblingsserie ist „Breaking Bad“, weil sie so eigenwillig und deshalb einzigartig ist.
Fotos: Abisag Tüllmann/VitsÅ“ (Dieter Rams), John Smedley, Look Mum No Hands!, PR