Es gibt Lebenswege, die scheinen zu prall gefüllt mit Ereignissen, zu dramatisch für einen einzigen Menschen. Die Vita von Katharine Graham gehört beispielsweise in diese Kategorie. Und auch die von Meryl Streep, die der Grande Dame der „Washington Post“ in Steven Spielbergs Mediendrama „Die Verlegerin“ ein schauspielerisches Denkmal setzt. Graham wurde 1917 geboren und wuchs im elitären Amerika auf. Ihre Mutter etwa war mit der zweifachen Nobelpreisträgerin Marie Curie befreundet, mit First Lady Eleanor Roosevelt und Bildhauer Auguste Rodin.
Ihr Vater, eigentlich Banker, kaufte 1933 die „Washington Post“, die heute Amazon-Gründer Jeff Bezos gehört – und noch immer zu den liberaleren Blättern der USA gezählt werden kann. Weil Katherine Graham selbst keine Journalistin war, vererbte ihr Vater sowohl die Zeitung als auch den Verlag … seinem Schwiegersohn. Ein weiblicher CEO, das war in den späten Fifties schier undenkbar. Durch den Suizid ihres Mannes landete Graham dann 1963 plötzlich doch auf dem Chefsessel, als Herausgeberin.
Unerfahren, ungelenk im Auftreten und ohne weibliche Vorbilder. „Ihre Biografie war durchdrungen von tief sitzenden Zweifeln daran, ob sie diese Rolle verdient habe und ihre Position auch würde ausfüllen können“, sagt Meryl Streep. Unsicherheit hin oder her, Katherine Graham steuert ihr Blatt trotzdem durch politisch stürmische Zeiten, gemeinsam mit „Post“-Chefredakteur Ben Bradlee (im Film gespielt von Tom Hanks) erfolgreich durch stürmische Zeiten. Den Höhepunkt bildet 1971 die Veröffentlichung der sogenannten „Pentagon Papers“, welche die Verschleierung der wahren Gründe des Vietnamkrieges aufdeckten. Wahrheiten, die Präsident Nixon in Bedrängnis brachten, und deren Bekanntwerden er zuvor mit aller Macht hatte verhindern wollen. Von dieser Feuerprobe für Katherine Graham und ihr Team erzählt Spielbergs Film.
Um in einem vor allem damals von Männern dominiertem Umfeld ihre Frau zu stehen, trägt Meryl Streep als „Die Verlegerin“ Blazer mit hochgestelltem Kragen, Kostüme ohne Ausschnitt und gestreifte Blusen – Businessoutfits im Stil der frühen 70er. Eine echte Überraschung hält Kostümdesignerin Ann Roth, die bereits mehrfach mit der vielfachen Oscarpreisträgerin zusammengearbeitet hat, allerdings bereit: In einer entscheidenden Szene, die wir hier nicht vorwegnehmen wollen, trägt Streep nämlich keine strenge Bürogarderobe, sondern einen luftig-femininen Kaftan in den Farben Weiß und Gold.
Die Pentagon Papers waren übrigens nicht das letzte Kräftemessen zwischen dem Weißen Haus und der „Washington Post“: Nur ein Jahr später hielt die „Watergate-Affäre“ die ganze Welt in Atem und katapultierte Grahams „Post“ in den Olymp des investigativen Journalismus. Und Richard Nixon in den vorzeitigen Ruhestand. Die Wahl von Donald Trump bewegte Steven Spielberg übrigens dazu, seine Hommage an eine freie Presse so rasch wie möglich zu drehen, obwohl er bei Produktionsstart schon Regie bei einem anderen Film führte. Sein Stress, unser Gewinn!